... wenn's der Wahrheitsfindung dienlich ist." Fritz Teufel, zur Auffiorderung, vor Gericht aufzustehen.

"Seit ich diesen Job mache" lüge ich immer weniger." Das sagt einer, der es wissen muss: Axel Wendler arbeitet für das Institut für Rechts-Tatsachenforschung der Universität Konstanz. Hinter dem komplizierten Namen steckt nichts weniger als die Suche nach der Wahrheit. Für den Richter am Oberlandesgericht ist entscheidend, ob sich ein Zeuge richtig erinnert oder bewusst lügt. Genauso wie im richtigen Leben.

Da gibt es ja seit einiger Zeit reichlich Anschauungsmaterial. Hat der damalige Sponti Joschka Fischer Molotowcocktails auf Polizisten geworfen oder im Gegenteil seinen Genossen von"Brandflaschen gegen den Bullenstaat" abgeraten? Er kann sich nur erinnern, dass Brandsätze als Waffe nicht meiner überzeugung entsprochen" haben. Der Fachmann für Zeugenaussagen geht davon aus, dass es zwar Verdrängungen gibt,
dass bestimmte Dinge "aber nicht weg sein können. Wenn man sich anstrengt, erinnert man." Besonders gut, je wichtiger, je emotionaler ein Erlebnis war. "Vom ersten Kuss wissen Sie jede Einzelheit. Nach dem fünften können Sie sich kaum mehr an das Gesicht erinnern."

Mag es also an der Vielfalt der Beziehungskisten liegen, dass sich der heutige Minister nicht erinnern kann, ob er eine Terrotistin beherbergt oder nur mit einer gefrühstückt hat? Sicher rollte sich damals so manches - in vino veritas - mit dem Schlafsack in die Ecke der WG. Aber gerade die Szene (sprich: Siiin) hatte ihre scharf abgestufte Promi-Hierarchie: Wenn so jemand auftauchte, blieb das nicht anonym. Man gab damit an, ähnlich wie im Rest der Welt. Dafür gibt es Zeugen.

Aber was sind Zeugen wert? Die Redensart sagt zwar: Lügen wie gedruckt. Aber - bei aller Skepsis gegenüber der eigenen Zunft - zutreffender wäre: Lügen wie bezeugt. Denn"Zeugen werden überschätzt". Das ist eine von Wendlers Erkenntnissen nach jahrelanger Forschung. Besonders bei, Ereignissen, die schnell ablaufen (Schlägerei, Unfall), gibt es jede Menge Ausfälle bei der Wahrnehmung der Einzelheiten. Da das Gehirn aber weiß, dass es sich um ein Gesamtgeschehen handelt, füllt es die Lücken selbstständig aus."

Andere aktuelle Irrtümer können allerdings kaum der Geschwindigkeit geschuldet sein. Eine 100 000-Mark-Spende kam wohl auch in der CDU nicht so fließbandartig vor. Von wem sie überreicht wurde, in welcher Form und wofür, das müsste zu erinnern sein. Wilhelm Busch meint allerdings: "Der Beste muss mitunter lügen, zuweilen tut er's mit Vergnügen." Oder die Zuträger (IM) der Stasi. Mag sein, dass sie sich unter unausweichlichem Druck fühlten, Freunde, Familie und Kollegen bespitzeln zu müssen.

Doch hinterher alles abstreiten, bis die Beweise auf dem Tisch liegen? Und dann beleidigt sein, dass überhaupt jemand nach der Vergangenheit fragt. Nein, es soll schon dabei bleiben: Die damals widerstanden, sollen heute besser und ehrenwerter dastehen. Überlegungen zur Glaubwürdigkeit der Minister Fischer und Trittin nennen diese "Meinungsterror". Immerhin: Es geht auch um Aussagen im Terrorismusprozess Klein, in dem sich Fischer" beim besten Willen" - beim Erinnern hat Fischer stets den "besten Willen" ("Spiegel") - auf wenig Konkretes besinnen kann. Nun also Meinungsterror. Aber wenn schon so ein Rückgriff in die Apo-Kiste: Wer übte denn damals Meinungsterror aus, wenn es darum ging, zahllose Pamphlete zu unterschreiben? Die Presser blieben hautnah stehen. Wehe dem oder der, die es wagten, die Resolution nicht zu unterschreiben.

Was ist nun der Wahrheitsfindung dienlich? Der Jurist geht von einer"Anfangswahrscheinlichkeit"aus. Dann prüft er vor allem den"Reichtum an Details". Da wird es nämlich eng selbst für intelligente Lügner. Die bleiben deshalb im Allgemeinen. Aber vor einem guten Frager wird gerade das zur Falle. Deshalb lügt der Richter immer weniger gern. Zur Nachahmung empfohlen. Für alle anderen, die sittlich weniger gefestigt sind, passt das Motto einer amerikanischen Diva: "Mir ist egal, was über mich geschrieben wird, solange es nicht die Wahrheit ist." 0 wie wahr.